Gebäude aus dem Baukasten: Wie modulares Bauen den Wohnungsneubau beschleunigt

630.000 Wohnungen fehlen laut deutschem Mieterbund bundesweit. Energiekrise, knappes Baumaterial und Fachkräftemangel verschärfen die Situation zusätzlich. Den Retter in der Wohnungsnot sehen viele Branchenkenner im modularen Bauen. Was die Modulbauweise kennzeichnet und wie sie den Wohnungsneubau beschleunigen könnte.

Zugegeben: Als architektonische Hingucker gelten die Ostblock-Plattenbauten der 80er Jahre nicht gerade. Effizient waren sie allerdings schon damals. Seinerzeit werden sowohl Decken- als auch Wandscheiben aus Beton ab Werk vorgefertigt und zum Baugrund geliefert. Hier lassen sie sich dann nach einer Art Stecksystem zusammensetzen. Das ermöglichte es, innerhalb weniger Monate ganze Großsiedlungen zu errichten.

Comeback des Plattenbaus

Im Plattenbau begründet liegt wohl auch das Bild der Modulbauweise als monotone Einheits-Architektur. Dabei ist sie besser als ihr Ruf. So sieht die Bundesregierung im modularen Bauen einen “Schlüssel”, um “schneller und kostengünstiger” zu bauen. Demnach stelle modulares Bauen ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung des voranschreitenden Wohnraummangels dar.

Dass modulares Bauen dabei auch optisch überzeugen kann, zeigen Projekte wie das Norra Tornen in Stockholm. Von den Schweden auch als “Tor nach Stockholm” bezeichnet, erhielten die zwei Wohntürme den internationalen Hochhauspreis und zählen zu den beliebtesten Wohnlagen der schwedischen Hauptstadt. Grundlage für das Norra Toren bilden mehrere hunderte Einzelmodule aus Betonfertigteilen, die versetzt miteinander zu einem über 100 Meter hohen Wohnkomplex verbunden sind.

Von Holzrahmenbau bis hin zu Wohncontainern

Kennzeichnend für die Modulbauweise ist die Verwendung vorgefertigter Bauelemente. Ein Großteil des Bauprozesses wird dabei von der Baustelle in die Fabrik vorverlagert. Dabei müssen die Fertigbauteile nicht zwingend aus Beton bestehen.

Gerade im privaten Wohnungsbau kommen zunehmend Holzelemente zum Einsatz. Beim Holzrahmenbau bildet ein tragendes Skelett aus Holzstreben das Grundgerüst der Immobilie. Dieses trägt Wand- und Deckenelemente, die aus sogenannten Sandwichpaneelen bestehen. Letztere beinhalten Dämmkern umgeben von einer Innen- und Außenschale aus Holz. Anders als im privaten Neubau bestehen die Rahmenkonstruktionen im gewerblichen Modulbau zumeist aus Stahl.

Neben dem Material unterscheiden sich Formen des modularen Bauens in dem Grad ihrer Vorfertigung. Skelettbauten wie der Holzrahmenbau bestehen aus mehreren vorproduzierten Fertigelementen, die am Baugrund zusammengesetzt werden.

Einen höheren Vorfertigungsgrad weist das Bauen mit vollständig vormontierten Einzelmodulen auf. Beim Containerbau setzen Bauträger auf bezugsfertige Raumeinheiten. Diese sind bereits vollständig ausgestattet mitsamt Küche und Sanitäranlagen und lassen sich mit einem Kran-LKW zum Baugrund liefern. Vor Ort erfolgt lediglich noch der Anschluss an das örtliche Versorgungsnetz. Auf diese Weise lassen sich Wohneinheiten innerhalb weniger Stunden errichten.

Modulbau gegen den Wohnraummangel

1,5 Millionen fehlende Wohnungen bis 2025 – So lautet die alarmierende Prognose des Deutschen Mieterbundes. Ein von der Bundesregierung verabschiedetes Maßnahmenpaket sieht modulares Bauen dabei als ein zentrales Mittel, um diese Lücke zu schließen. Die Vorfertigung einzelner Bauelemente ab Werk führt dazu, dass sich Gebäude in deutlich kürzerer Bauzeit errichten lassen. So kommt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey zu dem Ergebnis, dass sich die Projektdauer beim modularen Bauen um 20 bis 50 Prozent reduziert.

Darüber hinaus erweist sich das modulare Bauen als termintreuer als andere Bauweisen. Das liegt daran, dass ein Großteil der Fertigung in einer zentralen Produktionsstätte erfolgt. Am Baugrund selbst entfällt beispielsweise die Trockenzeit für Beton, da Fertigbauteile bereits vorproduziert eintreffen. Dadurch ist das modulare Bauen weitestgehend unabhängig von Witterung und Temperatur. So konnten die Bauarbeiten am Stockholmer Norra Tornen auch bei unter 5 Grad fortgesetzt werden.

Energieeffizienz durch Zentralisierung

Die Zentralisierung der Produktion von Bauelementen adressiert dabei eine weitere große Herausforderung unserer Zeit – Die Einsparung von Ressourcen. In dem Werk, in dem die Produktion der Bauteile stattfindet, lassen sich anfallende Bauabfälle deutlich besser recyceln als auf der Baustelle. Hinzu kommt die Reduktion von Baustellenverkehr, da nicht mehr alle einzelnen Komponenten zum Baugrund geliefert werden, sondern diese in Fertigmodulen bereits vereint sind. Laut McKinsey führe das zu einer Reduktion des Baustellenverkehrs um ganze 70 Prozent.

Darüber hinaus ermöglicht es die Modulbauweise, einzelne Elemente oder sogar ganze Raumeinheiten eines fertigen Gebäudes wieder zu entfernen, sofern sie nicht länger benötigt werden. Diese lassen sich dann an anderer Stelle wiederverwenden. Dadurch fördert das modulare Bauen eine Kreislaufwirtschaft.

Die Bauform der Zukunft?

Laut einer Untersuchung der Wirtschaftsprüfung KPMG macht modulares Bauen 2019 bereits 10 Prozent des Wohnungsneubaus aus. Kürzere Bauzeiten und höhere Energieeffizienz führen dazu, dass viele Branchenexperten den Modulbau als die Bauform der Zukunft sehen. 3D Druckverfahren und Automatisierungen des Montageprozesses stellen Zukunftstechnologien dar, die die Vorverlagerung des Bauprozesses von der Baustelle in zentrale Fertigungswerke weiter beschleunigen.

Was die Kostenersparnis angeht, sind die Unterschiede zum konventionellen Bauen allerdings noch vernachlässigbar. Zwar ist der Personalaufwand geringer, doch die Kosten für die Produktion oft höher, da viele Fertigungswerke oft nicht bei voller Produktionskapazität laufen. Auch der Transportweg vom Werk bis zur Baustelle ist aufgrund der geringen Dichte an Fertigungswerken oft noch lang und treibt die Kosten. Um wirklich effizient zu sein, ist demnach eine Erhöhung des Produktionsvolumens bei gleichzeitig besserer regionaler Abdeckung der Fertigungsanlagen erforderlich. Hier bleibt abzuwarten, wie sich der Anteil des modularen Bauens am Geschosswohnungsbau künftig entwickelt.

Gastartikel von: Theresa Bruns / comobau.de

 

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